Alle keltische Muster waren ursprünglich farbig. Man geht sogar davon aus, dass die Kelten wie die Römer und Griechen auch Steinskulpturen bunt bemalten. Die Tinte und Farbstoffe für die großen und lebhaft illustrierten heiligen Schriften stammten aus dem gesamten christlichen Europa und anderen Ländern. Einzelne Abschnitte wurden ähnlich wie Arbeiten aus Emaille koloriert: Zunächst wurden (meist in schwarz) alle Umrisslinien gezeichnet und dann die Zwischenräume mit Farbe ausgefüllt. Man nahm ursprünglich an, dass die Kelten Waid, einen natürlichen blauen Farbstoff, benutzten, denn die Römer wie Griechen erwähnten das mehrfach. An zwei gut erhaltenen bemalten Körpern, gefunden bei Lindow Moss/Cheshire, konnte man jedoch einen auf Kupfer basierenden Farbstoff nachweisen. Leider waren aber die Muster selbst nicht mehr zu erkennen. Kupfer ist der Ausgangsstoff für Grünspan, ein Gemisch aus Kupfersalzen, das die Kelten kannten. Obwohl es durchaus möglich wäre, dass sie Grünspan als Körperfarbe benutzten, ist es doch unwahrscheinlich, da die Römer die Substanz sicher als Grünspan auch erkannt hätten. Sie überlieferten den blauen Farbstoff als Vitrum, das jedoch gemeinhin als Waid übersetzt wird.

Herodian berichtet im 3. Jahrhundert nach Christus:"Sie bemalen ihre Körper mit den verschiedensten Farben und die Muster zeigen alle Arten von Tieren." Wenn man diese Aussage und die Liebe der Kelten zum Umgang mit Farbe in betracht zieht, kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass Waid nicht der einzige Grundstoff war, den sie benutzten. Sie besaßen Kenntnisse über zahlreiche pflanzliche und mineralische Farbstoffe, und es ist sehr wahrscheinlich, dass die extravaganten Kelten alle nur möglichen Farben benutzten, um andere zu beeindrucken oder anzuschrecken.

Vermutlich verwendeten sie als Grundstoff hauptsächlich Krapp, die sogenannte Färberöte, die bis heute zur Herstellung einer breiten Palette zur Herstellung von pflanzlichen Farben genutzt wird, von einem warmen Rot bis zum dunklen Blau. Die Kelten waren nachweislich in der Lage, Stoffe in allen Rotschattierungen einzufärben, was für die Römer von außerordentlicher Bedeutung war. Außerdem nutzten sie offenbar schwarzen Johannisbeersaft als Farbstoff. Obwohl den keltischen Zeichnern viele Farben zur Verfügung standen, zeigte selbst das komplexeste Flechtmuster niemals mehr als vier Farben, von denen jeweils eine den kontrastierenden Hintergrund bildete. Die keltischen Künstler besaßen die Fähigkeit, mit wenig Farben hervorragende Wirkungen zu erzielen - die Evangelien von Lichfield beweisen es. Sie nutzten den Effekt starker Kontraste, so dass die Farben, aus der Entfernung betrachtet, ein eigenes Muster entstehen ließen. Dazu genügte oft allein die Gegenüberstellung von hellen und dunklen Schattierungen. Vermutlich entstand diese Technik ursprünglich bei der Ausarbeitung der zahlreichen, in ganz Britannien gefundenen Handspiegel, deren Muster aus abwechselnden Flächen aus schraffiertem und glattem Metall besteht. Diese Gegenüberstellung lässt das Auge von einem Bild zum nächsten gleiten, wobei jedes seine eigene Symmetrie hat, aber auch mit den nächsten harmoniert. Die besondere Art mit Farben umzugehen, entwickelte sich aus den Illustrationen der bedeutenden heiligen Schriften. Besonders beliebt war die Kombination von Rot, Grün und Gelb, da Rot und Grün Komplementärfarben sind, während das sehr viel hellere und leichtere Gelb sich stark davon abhebt. Deshalb wurde Gelb offenbar nur sehr sparsam, sozusagen als Highlight eingesetzt. Die Kelten wussten um viele solcher Tricks, um die lebhaft, aber harmonisch wirkenden Muster zu gestalten.

Quelle: Celtic Tattoos - Andy Sloss - VGS Verlagsgesellschaft - 1998


Update: 26.Mai 2004