Nach der erfolgreichen Schlacht von "Stirling Bridge" wurden Sir William Wallace und Andrew Murray zum "Guardian of Scotland" ernannt.

Mit diesem Brief teilten sie 1297 Deutschland mit, daß Schottland fortan die Tore mit dem europäischen Handel wieder eröffnet.

Dieser Brief, datiert auf den Oktober 1297, teilt den Händlern in Lübeck mit, daß sie von nun an geschützt nach Schottland kommen können. Zitat: "...because the kingdom of Scotland, thanks be to God, has been recovered by war from the power of the English."

Während des zweiten Weltkrieg wurde Lübeck bombardiert. Der Brief wurde in eine Salzmine (zusammen mit vielen anderen) gebracht und dort deponiert. Viele der dort gelagerten, u.a. mittelalterlichen Briefe, wurde von der roten Armee in den Osten gebracht. Einige dieser Briefe wurden später zurück gebracht nach Deutschland, jedoch viele mittelalterlichen Briefe fehlten, einschließlich dem "Lübecker Brief". Verblüffender Weise tauchte der "Lübecker Brief" 1970 im sowjetischen Archiv wieder auf. 1990 wurde dieser dann zurück geführt in die Heimatstadt Lübeck.

Gen Ende Februar 1999 brachte Professorin Dr. Antjekathrin Graßmann, Leiterin des Lübecker Stadtarchivs, den Brief zurück nach Schottland, als Leihgabe.

Der so genannte "Schottenbrief" verweilt derzeit im Lübecker Stadtarchiv.

 

Sir Williams Siegel - Forderseite

Sir Williams Siegel - Rückseite

Der "Lübecker Brief" ist das einzige, noch vorhandene Original Dokument, verfasst von Sir William Wallace und trägt sein Siegel.

Dieses Dokument (Siegel) benennt den Namen seines Vaters. Zitat: William filius Alan (William son of Alan).
Der weit verbreitete Irrglaube, Sir Malcolm sei sein Vater, ist eine Erfindung von Blind Harry.

 

Übersetzung:

Andrew Murray and William Wallace, leaders of the army of the kingdom of Scotland and the community, to their worthy and beloved friends, the mayors and citizens of Lübeck and Hamburg, greeting.

We have been told by trustworthy merchants of the kingdom of Scotland that you are giving help and favour in all business concerning us and our merchants for which we thank you. We ask that it be made known among your merchants that they will now have safe access to all ports in the kingdom of Scotland, since Scotland, blessed be God, has been rescued from the power of the English by force of arms.

Given at Haddington in Scotland, on the 11th day of October in the year of grace one thousand two hundred and ninety seven.

Das Schriftstück wurde in lateinischer Sprache verfasst.


Warum Schotten in Lübeck weinen

Oktober 1297: Schottlands Nationalheld "Braveheart" hat sich im Stadtarchiv verewigt


"Geschichten aus der Geschichte Lübecks" standen im Mittelpunkt dieser Artikelserie, die Sie in der SZ lesen konnten. Geschrieben wurden sie von MitarbeiterInnen und Freunden des Archivs der Hansestadt Lübeck auf der Grundlage der dortigen Schätze zur Geschichte der Stadt und der Hanse. Das Archiv verwahrt unter anderem zirka sechs Kilometer Akten, Karten und zirka 20.000 Urkunden und Testamente vom Hochmittelalter bis heute. Wissenschaftler kommen ebenso in das Archiv wie Heimat-, Haus- und Familienforscher. Das Archiv der Hansestadt gehört zu den größten und bedeutendsten Kommunalarchiven in Deutschland.

http://www.archiv.luebeck.de.

Im April 2005 erscheint ein Schotte, dessen Name wir hier mit Mr. Mc. Gregor angeben, im Archiv der Hansestadt Lübeck. Mr. Mc Gregors hat ein einziges Ziel: Er möchte unbedingt einmal in seinem Leben die sogenannte "Schottenurkunde" im Original sehen und anfassen. Dazu ist er gerade über die neue Flugverbindung direkt aus Schottland nach Lübeck gekommen. Die Urkunde wird ihm - wer kann einem Weitgereisten einen solchen Wunsch abschlagen? - auch wirklich aus dem Magazin geholt und Mr. Mc. Gregor darf das wertvolle Dokument, vom Archiv ausgerüstet mit weißen Baumwollhandschuhen, vorsichtig berühren, fotografieren und betrachten. Vor lauter Rührung werden seine Augen feucht und die Gefühle überwältigen ihn so, dass er im nächsten Moment die Lesesaalaufsicht des Stadtarchivs in die Arme nimmt und links und recht abküsst.

Euphorie

Warum löst eine Urkunde eine solche Euphorie aus? Und das nicht nur bei diesem Reisenden, sondern bei vielen Schotten, die ins Archiv kommen? Am Äußeren kann es nicht liegen, denn handelt es sich um ein eher unscheinbares Pergament, eine Urkunde von rund 20.000 im Archiv. Dennoch hat es die kleinformatige Urkunde, an der nur noch eines von ursprünglich zwei Siegeln hängt, in sich: Es handelt sich nämlich um das einzige erhaltene Dokument des schottischen Nationalhelden William Wallace (um 1270 - 1305), ausgefertigt und (vermutlich von ihm) besiegelt am 11. Oktober 1297.

In Schottland ist die Urkunde als "Lübeck letter" berühmt und bekannt, 1999 wurde sie in einem Edinburgher Museum und 2005 im schottischen Parlament präsentiert. Über 40.000 Besucher zog damals die Ausstellung an, in der diese Urkunde zusammen mit den zwei anderen Dokumenten schottischer Identität und Freiheit zu sehen war. Viele Schotten, die nach Lübeck kommen und von der Lübecker Urkunde wissen, möchten sie einmal in ihrem Leben im Original sehen.

Identitätsfigur

William Wallace gilt in seinem Land als die Identitätsfigur für den historischen Kampf der Schotten um ihre nationale Freiheit und Eigenständigkeit. Viele Leser werden den mit mehreren "Oskar" prämierten Spielfilm "Braveheart" aus dem Jahr 1995 kennen. Was viele nicht wissen: Das Vorbild für die Figur des von Mel Gibson verkörperten "Braveheart", des heldenhaften Heerführers, war William Wallace. Ihm wurde damit auch filmisch ein Denkmal gesetzt. Wallace brachte den Engländern im September des Jahres 1297 bei Stirling Bridge nordwestlich von Edinburgh trotz deutlicher zahlenmäßiger Unterlegenheit eine vernichtende Niederlage bei, die das nationale Gedächtnis auf beiden Seiten tief geprägt hat.

Hinrichtung

Wallace Schlachtenglück währte jedoch nicht lange. Nach zunächst erfolgreichen Kämpfen gegen die Engländer wurde er vom schottischen Adel verraten, gefangen genommen und am 23. August 1305 wegen Hochverrats in London hingerichtet. Es soll eine der grausamsten Hinrichtungen in der englischen Geschichte gewesen sein. Durch sein tragisches Schicksal wurde er zum Märtyrer für die schottische Sache.

An Wallace erinnern in Schottland viele Straßen und Plätze, ein "National Wallace Monument" in Stirling nahe der Hauptstadt Edinburgh feiert den Nationalhelden. Umso wichtiger für die Schotten, dass zumindest ein historisches Dokument erhalten geblieben ist, um von seiner Existenz zu zeugen: Es ist die im Archiv der Hansestadt Lübeck verwahrte Urkunde aus dem Jahr 1297.

Wie aber kommt nun diese Wallace-Urkunde, die nur wenig nach seinem überragenden Sieg gegen den englischen König Edward I. bei Stirling Bridge im September 1297 ausgestellt worden ist, nach Lübeck? Hat "Braveheart" sich gar in Lübeck aufgehalten?

Braveheart in Lübeck?

Nein, dem ist natürlich nicht so. Einmal mehr liegt die Erklärung in der überragenden Bedeutung Lübecks für den Handel im Europa des Mittelalters. Kaufleute aus Lübeck und anderen späteren Hansestädten fuhren schon früh, im 13. Jahrhundert, in bedeutender Zahl zur englischen Insel, nach England ebenso wie nach Schottland. Umgekehrt wusste man dort um die Bedeutung Lübecks und seiner Kaufleute für die Wirtschaft des eigenen Landes. Beliebte Handelsplätze und -partner fand man in Edinburgh, ebenso auch in Dunbar, Glasgow und Aberdeen. Der schottische Hansehandel ähnelte dem in England: Die Lübecker wie ihre "Kollegen" kauften vor allem Wolle und Tuch, brachten dafür das im Osten erhandelte Gut, Pelze, Wachs an erster Stelle, aber auch fernöstliche Waren ins Land.

Um Wirtschaftsdinge geht es auch im "Lübeck letter": Wallace und Andreas von Murray als Heerführer des schottischen Reiches machen in der Urkunde den Städten Lübeck und Hamburg bekannt, dass Schottland von den Engländern zurückerobert werden konnte und die schottischen Häfen frei seien. Die Kaufleute von Lübeck und Hamburg erhalten darin Handelsfreiheit nach allen schottischen Städten, eine direkte Einladung zum Wirtschaftsaustausch also. Zugleich baten Murray und Wallace Lübeck und Hamburg, zwei schottischen Kaufleuten bei ihren Angelegenheiten behilflich zu sein. William Wallace war also offenbar nicht nur ein großer Heerführer, sondern auch ein kluger, um das wirtschaftliche Wohl seines Landes besorgter Herrscher.

Schottischer Freiheitswillen

Von all dem kündet die Urkunde vom 11. Oktober 1297 nur zwischen den Zeilen. Aber als frühes, einzigartiges Zeugnis des schottischen Freiheitswillens ist sie gleichwohl von unschätzbarem Wert. So ist Lübeck quasi zum Wallfahrtsort vieler nationalbewusster Schotten geworden.

Ach ja: Der oben erwähnte Besucher aus Schottland, Mr. Mc. Gregor, schickt immer noch Grüße an die Kollegin in der Lesesaalaufsicht des Stadtarchivs. Und wen wundert es, wie er seinen der Sohn genannt hat: William Wallace natürlich!

Dr. Jan Lokers

Lübecker Stadtzeitung, Ausgabe 518 vom 21.12.2007

Quelle: Stadtzeitung Lübeck
 


Update: 28. März 2010